Als vor gut 25 Jahren die Mauer fiel, war damit scheinbar auch das Ende der DDR besiegelt. Aber war es das wirklich? Denn noch immer ist die DDR in vielen Köpfen fest verankert. Kein Wunder, wenn man auch heute noch ständig an die DDR erinnert wird. Es scheint fast so, als hätte die größte DDR aller Zeiten überlebt.
Natürlich gibt es Zweifler, die es besser wissen. Es gibt ja nicht wenige Persönlichkeiten in den verbrauchten Bundesländern, die aus der sicheren Entfernung heraus sogar wissen wollen, wie die Brüdern und Schwestern im anderen Teil Deutschlands wirklich gelebt haben. Ständig wird man mit abenteuerlichen Thesen konfrontiert, die von der Realität genauso weit entfernt sind wie der Mond von der Erde. Man versucht sogar, den Bürgern im Ossiland Begriffe in den Mund zu legen, die es nie im Sprachgebrauch gab. Auch in der atheistisch geprägten DDR hießen die Weihnachtsengel Weihnachtsengel und nicht Jahresendflügelfiguren. Und bestattet wurde man genauso wie im Westen in Särgen und nicht in Erdmöbeln.
Inzwischen ist ein Streit entbrannt, ob die DDR ein Unrechtsstaat war oder nicht. Aber diese Frage muß jeder selber für sich beantworten. Telefonjoker und Publikumsumfragen sind übrigens bei der Beantwortung nicht gestattet!
Überhaupt sollte erst einmal geklärt werden, wieviel Einwohner die DDR wirklich hatte. Offizielle Quellen sprechen von rund 16 Millionen. Das kann aber so nicht stimmen, denn zu den 16 Mio. Einwohnern kommen noch einmal ca. 16 Mio. Widerstandskämpfer gegen die Obrigkeit. Dazu noch einmal mehrere Mio. Mitarbeiter für das Bespitzelungssystem der DDR. Selbst die einfache Putzfrau, die in einer Dienststelle nicht mal in die Reichweite von Stasiakten gelangte, wird heute diskriminiert, weil sie für das MfS arbeitete. Aber wer, wenn nicht die Putzfrau mußte den Dreck der Stasi wegräumen?
Apropos Stasi. Man meint ja, es kann nicht mehr schlimmer kommen als mit der Stasi. Aber der deutsche Bundesinnenminister sorgt ständig dafür, daß das Andenken an die Stasi gewahrt bleibt. In schöner Regelmäßigkeit kommen von ihm neue Vorschläge, wie man den Bürger der neuen deutschen Republik überwachen kann. Natürlich heißt das bei ihm nicht Überwachung, sondern Terrorismusbekämpfung. Der Feind ist schließlich überall. Und genau aus diesem Grund hat schon viel früher das MfS den Kampf gegen den Terrorismus aufgenommen und seine Bürger nur deswegen ausgespäht. Allerdings war man viel effektiver. Man kundschaftete gesamtgesellschaftlich, geleitet von einer Zentrale. Heutzutage müssen ja die Betriebe eigene Kapazitäten bereitstellen, um die arbeitende Bevölkerung auszuspionieren. Lidl benutzt Überwachungskameras, die Bahn überwacht den Mailverkehr und die Telekom überwacht die Telefongespräche. Könnte man das nicht bündeln? Die Stasi hat es doch vorgemacht, wie es geht…
Schon kurz nach der „Wende“ erfand der Dresdner Kabarettist Uwe Steimle den Begriff Ostalgie und löste damit eine Art „Jetzt erst recht“-Stimmung aus. Es dauerte zwar eine Weile, aber inzwischen ist im Osten Deutschlands eine Art Gegenreaktion zu den ständigen Bevormundungen entstanden. Ostdeutsche Prominente wie Handball-Legende Stefan Kretschmar und andere machen sich mittlerweile einen Spaß daraus, ihre DDR-Vergangenheit nicht länger zu verleugnen. Da bleibt auch der eine oder andere Seitenhieb auf die üblichen Klischees nicht aus. Der gemeine Ossi lacht sich schlapp und der ehemalige BBKF* schaut ein wenig irritiert. Und der Satz „Wir hatten ja Nichts“ taugt immer häufiger für eine Belustigung unter Gleichgesinnten.
Aber was ist nun wirklich übrig geblieben von der DDR? Eigentlich mehr als den lieben Brüdern und Schwestern jenseits der Demarkationslinie lieb sein dürfte.
War man zu DDR-Zeiten genervt, ständig im Parteilehrjahr die Theorien von Marx, Engels und Lenin studieren zu müssen, stellt man heute mit Erstaunen fest, wie richtig diese Lehren waren. Dumm nur, daß die wenigsten von uns damals richtig aufgepaßt haben. Konnte ja schließlich keiner wissen, daß es mal wirklich so kommt wie vor 100 Jahren vorhergesagt. Alles was in den Büchern steht, trifft heute in Zeiten der Weltwirtschaftskrise treffend zu. Manche Optimisten sprechen sogar schon vom Untergang des Kapitalismus. Und „Das Kapital“ von Karl Marx verkauft sich plötzlich wieder wie blöd. Falls also mal die Produktion ins Stocken kommen sollte, der Autor dieser Zeilen war clever und hat seine Exemplare von Damals nicht auf den Müllhaufen der Geschichte geworfen, sondern aufbewahrt und stellt sie gerne zur Verfügung!
Aber wenn nun der Kapitalismus am Ende ist, was kommt danach? Etwa der Sozialismus schon wieder? Teile davon sind ja schon längst wieder da. Oder sagen wir besser, Teile der so hoch gelobten „ESG“*. Denn ohne es zu merken hat der Osten den Westen doch noch überholt ohne einzuholen.
Der ABV von damals nennt sich heute Kontaktbereichsbeamter. Allerdings ist er wie damals wohl nur ein Phantom, denn man bekommt ihn nie zu Gesicht. Hat man früher als junger Pionier Altstoffe (liebe westdeutsche Mitbürger und Mitbürgerinnen: Altstoffe waren keine alten Stoffe, sondern Papier, Pappe sowie Flaschen und Gläser) zum Serohandel geschafft, übernimmt das heute praktischerweise die Müllabfuhr. So hat die junge Generation mehr Zeit, sich um wichtigere Dinge zu kümmern. Zum Beispiel, um Sport zu treiben. Früher wurden die besten Nachwuchssportler auf der KJS* gezüchtet, heute gibt es sportbetonte Schulen, wobei die Ansätze zwar richtig, die Erfolge aber noch nicht ganz die Gleichen sind. Allerdings, Spitzensportler haben auch heute noch merkwürdige Sponsoren. Früher waren „Dynamo“ und die „ASK Vorwärts“, also dem MdI bzw. dem Ministerium für Nationale Verteidigung unterstellte Sportorganisationen, Forderer und Förderer von Hochleistungsathleten, heute ist es die Bundespolizei, der Zoll oder die Bundeswehr. Solange Erfolge dabei herausspringen, ist aber dagegen nichts einzuwenden!
Ostprodukte haben ebenfalls lange gebraucht, um die Herzen der Bürger zurück zu gewinnen. Aber mittlerweile sind einige „Ostprodukte“ Marktführer in Gesamtdeutschland, andere haben völlig untypisch für die Gesamtentwicklung den Konkurrenten aus dem Westen einfach übernommen. Meist war es ja umgekehrt. Allerdings sind scheinbar einige Produkte für immer verloren: action-Jugendkosmetik, Ba-du-san (Schaumbäder), bon-Schokoriegel, Creck- Schokolade mit Sammelbilder, Mekorna, Frösi, Atze, NBI* u.v.a.
Wird man krank, und das kann in Zeiten wie diesen schnell passieren, geht man wieder in die Poliklinik, pardon, ins „Medizinische Versorgungszentrum“, was aber nichts anderes als eine Poliklinik ist. Wer Glück hat, trifft sogar noch seinen früheren Arzt wieder.
Aus den Polytechnischen Oberschulen wurden erst Grund- oder Realschulen, später Gesamtschulen und neuerdings wieder Oberschulen. Es ist wohl nur noch eine Frage der Zeit, wann der Zusatz „Polytechnisch“ neu erfunden wird.
Apropos neu erfinden: Schon mal was von Castings-Shows gehört? Gab es bei uns schon seit den 60er Jahren und hießen damals „Junge Talente“. Über Kreis- und Bezirksausscheide qualifizierte man sich zum großen Finale. Heinz Quermann brachte dann die besten „Jungen Talente“ ins Fernsehen, wo sie jedoch nicht von einer voreingenommenen Jury verbal auf Mindestmaß gekürzt wurden, sondern vielmehr motiviert. Egal wie schlecht man war, man war gut! Und aus den jungen Talenten von Damals wurden alte Haudegen, die immer noch auf der Bühne stehen und ganze Hallen füllen. Ob Puhdys, Karat oder City, man kriegt zwar schon Rente, aber man tobt sich immer noch aus. Und beweist nebenbei ein längeres Haltbarkeitsdatum als viele sogenannte Superstars von Heute, die nicht mal einen Sommer überleben.
Das Sandmännchen mußte sogar wieder ins Fernsehprogramm aufgenommen werden, nachdem man es kurzeitig abwickelte und in den Ruhestand schickte. Als aber die Proteste der Eltern zunahmen, fragte man das Sandmännchen, ob es unter marktwirtschaftlichen Bedingungen gewillt ist, weiterhin seinen Traumsand zu verstreuen. Das Sandmännchen sagte Ja. Leider wurden dadurch westdeutsche Arbeitsplätze vernichtet, denn der West-Sandmann sowie „Wolf und Rüffel“ mußten den bitteren Weg in die Arbeitslosigkeit gehen.
Man könnte die Aufzählungen beliebig fortführen, aber das würde viele Bürger ohne polytechnische Oberschulbildung nur unötig verunsichern. Außerdem würde man dem Image des „stasibehaftenen Jammerossis“ (Zitat: Stefan Aust, ehem. Chefredakteur beim „Spiegel“) nicht mehr gerecht werden. Und wir wollen doch nicht, daß die im Westen wirklich glauben, daß im Osten alles besser war. Denn dann müßten die sich mit unserer Geschichte ernsthaft auseinandersetzen und wir müßten ihnen erzählen, wie wir wirklich gelebt haben…
*Begriffersklärung:
BBKF = Bitterböser Klassenfeind
ESG = Entwickelte Sozialistische Gesellschaft
ABV = Abschnittsbevollmächtigter
KJS = Kinder- und Jugendsportschule
NBI = Neue Berliner Illustrierte
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