Murtaza Alizada aus Afghanistan fühlt sich in Forst zu Hause

Wie leben Geflüchtete in Forst (Lausitz)? Wie sind sie in die Gesellschaft integriert? Mit welchen Problemen haben sie zu kämpfen?

Murtaza Alizada (33) ist in Afghanistan geboren und kam 2016 mit seiner Familie nach Deutschland. Über die Stationen München, das Erstaufnahmelager Eisenhüttenstadt, Wünstdorf, Herzberg und Neuruppin landete er ein Jahr später in Forst. Der Weg bis hierher war abenteuerlich und für die meisten von uns unvorstellbar.

Sein Vater war Armist und kämpfte in Afghanistan gegen die Taliban. Auch Murtazas Cousin kämpfte gegen die Terrormiliz. Als der Cousin Hilfsgüter transportierte, wollte der Vater helfen und geriet ins Visier der Taliban. Mit 33 Schüssen wurde Murtazas Vater von den Taliban-Milizen getötet. „Wir konnten ihn nur noch anhand seiner Ausweispapiere identifizieren.“, erzählt der junge Mann mit stockender Stimme. Wenig später verschwand auch Murtazas Bruder. Stattdessen meldete sich ein „Cousin“ und bot seine „Hilfe“ an. Murtaza lehnte ab, weil er den angeblichen Cousin nicht kannte. Darauf folgte die Drohung „Wenn Du nicht zu uns kommst, kommen wir zu Dir und holen Deine Frau und Deine Kinder!“. Das war der Zeitpunkt, an dem Murtaza seine Liebsten nahm, das Haus verkaufte und aus Afghanistan floh. Nach zwei Wochen Fußmarsch erreichte Familie Alizada die Türkei, von hier aus ging es auf einem kleinen Schiff nach Griechenland weiter. „Wir waren in einem Konvoi aus 7 Schiffen. Zwei Schiffe kamen nie in Griechenland an.“
Insgesamt 8 Länder durchquerte die Familie, dann endlich war Deutschland Endstation.

Murtazas Schwager lebte zu der Zeit schon in Forst und meinte, daß Forst der richtige Ort für einen Neuanfang wäre. Die Alizadas zogen zunächst in den Wohnverbund in der Mühlenstraße, mittlerweile bewohnen sie eine eigene Wohnung.

Schon in Herzberg engagierte sich Murtaza als Freiwilliger im DRK und spielte in einer Fußballmannschaft. „Anderen zu helfen ist mein Leben. Für mich sind alle Menschen gleich!“ Schwierig war die Verständigung, denn ohne Anerkennung mit einer Aufenthaltsgenehmigung gibt es keine Deutschkurse.

In Forst wollte er seiner Fußball-Leidenschaft weiterhin nachgehen und fragte beim SV Lausitz an, ob er mittrainieren darf. Mit anderen Ausländern spielte er in der Freizeit Fußball. Aus der Idee, eine Freizeitmannschaft zu bilden, entstanden die „Forster Löwen“, die mittlerweile unter dem Dach des TV 1861 Forst regelmäßig trainieren. Schon in seiner Heimat in Afghanistan trainierte Murtaza eine Kindermannschaft. Inzwischen hat er in Deutschland einen Lehrgang zum Jugendwart und eine Ausbildung zum Schiedsrichter absolviert. In der Kreisliga und in der Oberliga kam Murtaza schon als Schiedsrichter zum Einsatz.

Seit 2020 hat Familie Alizada endlich eine Aufenthaltsgenehmigung. Tochter Staish gewann jüngst beim Forster Seifenkistenrennen in ihrer Rennklasse. Die Jungs Reza und Mahdi spielen Fußball, betreiben Karate und Tennis. Demnächst vergrößert sich die Familie: „Meine Frau Sumaya ist schwanger und das Kind kommt in Deutschland zur Welt.“, erzählt der stolze Vater.

Deutschland ist mittlerweile neue Heimat geworden, eine Rückkehr nach Afghanistan scheint ausgeschlossen. Zu stark sind die Erinnerungen an das Geschehene in ihrer alten Heimat.

Murtaza ist in Afghanistan Facharbeiter für Hausbau gewesen, hat 15 Jahre als Fliesenleger gearbeitet. Eine richtige Ausbildung hat er nicht. „Man fängt schon als Kind an zu arbeiten und verdient seinen Unterhalt für die Familie.“ Auch Zeugnisse kann Murtaza keine vorweisen. In Deutschland kann er ohne offiziellen Berufsabschluß keine Qualifizierungs-Lehrgänge und beruflichen Weiterbildungen besuchen. Er schlägt sich mit Mini-Jobs durch, z.B. als Hausmeister oder Hilfsarbeiter. Das Geld erhält er direkt vom jeweiligen Arbeitgeber.

Schlechte Erfahrungen als Ausländer hat er bisher nur ganz vereinzelt gemacht. „Im Garten hat mal eine Nachbarin rumgepöbelt.“ Familie Alizada hat viele deutsche Freunde gefunden. Eine Familie aus Herzberg betrachten die Kinder mittlerweile sogar als Ersatz-Oma und -Opa.

Jammern gehört sowieso nicht zu Murtazas Grundsätzen: „Ich schaue immer nach vorn, aber vorsichtig!“. Sein Wunsch ist es, in Forst so eine Art Begegnungsstätte zu schaffen, um die islamische Kultur vorzustellen und mit Vorurteilen aufzuräumen. Auch wird er sich weiterhin für seine Landsleute einsetzen, ihnen helfen, wenn sie Hilfe bei anstehenden Problemen benötigen. Und natürlich kümmert er sich auch weiterhin um die „Forster Löwen“. Demnächst spielen sie bei „Soccer for friends“, ein Fußball-Turnier, daß Murtaza organisiert. Denn sich für andere einzusetzen und anzupacken ist genau Murtazas Ding.

Über Thori 186 Artikel
Blauäugiger freiberuflicher Dichter und Denker, Jahrgang 67, Kreativling, Kulturschaffender, Fotograf, Filmperlentaucher und Pfützenländer

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